Auch 110 Jahre nach dem ersten Frauentag sieht der Landesverband der kommunalen Beiräte für Migration und Integration in Rheinland-Pfalz (AGARP) noch eine weite Strecke bis zur Schaffung einer wirklichen Geschlechtergerechtigkeit. Dies werde beispielsweise noch immer beim Gehalt deutlich: „Der Bruttostundenlohn von Frauen liegt hierzulande durchschnittlich 19 Prozent unter dem der Männer. Damit nimmt Deutschland im europäischen Vergleich eine Spitzenposition ein. Dass Frauen auf dem Gehaltszettel deutlich schlechter abschneiden ist strukturbedingt: sie arbeiten öfters in Teilzeit und in niedrig bezahlten Branchen, die sich jedoch gerade in der Coronakrise vielfach als systemrelevant bewiesen haben. Doch auch bei gleichen Bedingungen und gleicher Qualifikation schneiden Frauen beim Lohn immerhin noch sechs Prozent schlechter ab als ihre männlichen Kollegen“, heißt es in der Pressemitteilung der AGARP. Auch seien es vor allem Frauen, die in der Coronakrise Arbeitszeiten und Gehalt reduzieren, wenn Kita und Schule schließen müssen. Der Anteil der Familien, in denen die Frau die Kinderbetreuung beinahe vollständig allein trägt, habe sich in der Pandemie sogar verdoppelt.
Mit großer Besorgnis blickt der Landesverband auch auf die Zunahme der Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Hier seien die Zahlen schon vor Corona mehr als alarmierend gewesen und die Hilfeinfrastruktur oftmals an der Belastungsgrenze. Ein dramatischer Anstieg sei in den vergangenen Jahren auch bei der weiblichen Genitalverstümmlung (Female Genital Mutilation – FGM) zu beobachten: „Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass es sich hierbei um ein Problem des afrikanischen Kontinents handele. Schätzungen zufolge leben hierzulande rund 15 000 Mädchen, die von FGM gefährdet sind. Betroffene Frauen haben ein Leben lang mit den körperlichen und psychischen Folgen einer Genitalverstümmlung zu kämpfen“, erklärt die AGARP weiter.
Mit Blick auf das Superwahljahr 2021 stellt der Landesverband daher klare Forderungen an die Politik: „Wir erwarten eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention und einen ausreichenden Schutz vor Gewalt, wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des Lohndefizits und der finanziellen Benachteiligung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist auch hier die Messlatte.“
Landtagswahl 2021: Wahlaufruf des AGARP-Vorstandes
Die freie, gleiche und geheime Wahl ist für viele Menschen auf dem Globus keine Selbstverständlichkeit. Wir haben das Privileg in einer gefestigten Demokratie zu leben, die uns dieses Recht gewährt. Schon alleine deshalb sollten alle Staatsbürger*innen die Wahlteilnahme als ihre demokratische Pflicht betrachten. Sie können bei der Landtagswahl mitentscheiden, wer künftig Rheinland-Pfalz regiert und repräsentiert. Wir rufen daher alle Wahlberechtigten auf: Nutzen Sie dieses Recht und gehen Sie wählen!
Wir appellieren außerdem an alle Demokrat*innen: Wählen Sie keine Partei, die Stimmung macht gegen Ausländer, Menschen mit Migrationshintergrund oder marginalisierten Personengruppen. Rheinland-Pfalz ist ein buntes und weltoffenes Bundesland und wir wollen das dies so bleibt!
Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Hass und Hetze haben bei uns keinen Platz – Wir verbinden unsere Trauer mit konsequentem Handeln
„In Hanau wurden vor einem Jahr neun junge Menschen aus ihrem Leben gerissen, weil der Altentäter sie in seinem rassistischen Weltbild als Ausländer und Fremde brandmarkte. Die grausamen Morde haben unermessliches Leid über ihre Familien gebracht. Wir wollen heute deutlich machen, dass wir die Ermordeten nicht vergessen. Die Botschaft dieses Jahrestages ist ganz klar.
Dieses Attentat ist ein Angriff auf unsere offene und freie Gesellschaft, den wir so nicht hinnehmen. Wir finden uns in Rheinland-Pfalz mit Hass und Hetze nicht ab“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Sie hatte zum gemeinsamen Gedenken im Rahmen einer Gesprächsrunde mit Jacques Delfeld, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Rheinland-Pfalz, Kemal Gülcehre, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Beiräte für Migration und Integration Rheinland-Pfalz, Torsten Jäger, Geschäftsführer des Initiativausschusses Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz, und Miguel Vicente, Beauftragter der Landesregierung für Migration und Integration, eingeladen.
Die Bluttat von Hanau stehe leider nicht allein, sondern in einer beschämenden und erschütternden Reihe rechter Gewalt. Die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihres Glaubens oder ihrer sexuellen Orientierung reichten bis in die Mitte der Gesellschaft hinein. „Hanau ist ein Beispiel dafür, dass Hass und Rassismus töten. Deswegen belassen wir es nicht bei Erschütterung und Trauer. Ich versichere unseren Bürgern und Bürgerinnen, dass die Landesregierung nicht ruhen wird. Wir gehen entschieden gegen Rechtsextremismus vor. Mit der ganzen Härte unseres Rechtsstaates und mit allen demokratischen Kräften! Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Menschen mit Wurzeln in anderen Ländern sind keine Fremden, sie sind unsere Bürger und Bürgerinnen. Wir stehen an Ihrer Seite“, betonte die Ministerpräsidentin.
„Ein Jahr nach dem rassistischen Attentat sitzt der Schock immer noch tief. Die Hintergründe der Bluttat müssen lückenlos aufgeklärt werden, ich erwarte von Polizei und Ermittlungsbehörden, dass dies mit größtmöglicher Transparenz geschieht.“, forderte Kemal Gülcehre in der Gesprächsrunde.
„Ganz wichtig scheint mir, dass Menschen, die rassistisches Gedankengut verbreiten, unbedingt Widerspruch erfahren müssen“, sagte Jacques Delfeld. „Das bedeutet, dass wir alle bereit sein müssen, dort wo wir solchen menschenfeindlichen Vorstellungen begegnen, wie zum Beispiel in unserer Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, im Verein, in der Schule oder anderswo zu widersprechen.“
Thorsten Jäger betonte: “ Einer Gesellschaft ohne Rassismus kommen wir nur näher, wenn diejenigen gleichberechtigt daran mitarbeiten können, für die Rassismus eine alltägliche Erfahrung ist. Sie müssen mehr als bisher Zugang zu den Strukturen haben, in denen Gesellschaft ‚gemacht‘ wird: in den Medien, im Bildungswesen, in der öffentlichen Verwaltung oder in der Polizei.“
„Wir begegnen Rassismus und Menschenfeindlichkeit am wirkungsvollsten, wenn wir gemeinsam und klar hinter den Grundwerten unserer offenen und freien Gesellschaft stehen. Denn nichts beflügelt Rassisten und gewaltbereite Extremisten mehr, als eine in ihren Grundsätzen verunsicherte Gesellschaft“, stellte der Beauftragte der Landesregierung für Migration und Integration, Miguel Vicente, fest.
„Bereits im Januar 2020 hat die Landesregierung den Regierungsschwerpunkt „Miteinander Gut Leben – Rheinland-Pfalz gegen Hass und Hetze. “ ausgerufen. Alle Ministerien sind ressortübergreifend mit Projekten beteiligt. Außerdem haben wir einen Appell gestartet, dem sich bislang 2.200 Organisationen, Verbände und Einzelpersonen angeschlossen haben und ein Zeichen gegen das Gift des Rassismus setzen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Neben zahlreichen weiteren Maßnahmen bei der Polizei habe die Landesregierung eine zentrale Meldestelle eingerichtet, bei der antisemitische, rassistische und andere menschenfeindliche Vorfälle und Übergriffe gesammelt würden. Eine solche Sammlung diene dazu, schmerzhafte Erfahrungen der Betroffenen sichtbar zu machen und unterschiedliche Erscheinungs- und Wirkungsformen zu erfassen. „Verschwörungsmythen und Menschenfeindlichkeit verbreiten sich im Netz mit schwerwiegenden Folgen für unsere Gesellschaft. Wir verfolgen das konsequent und ziehen alle zur Verantwortung, die im Netz Hass sähen“, betonte die Ministerpräsidentin.
(Pressemitteilung der Staatskanzlei RLP)
Video: Diskussionsrunde mit den Spitzenkandidat*innen
AGARP diskutiert mit Landtagskandidat*innen
Mainz. Am 14. März wird in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt. Aus diesem Anlass lud der Landesverband der kommunalen Beiräte für Migration und Integration (AGARP) am vergangenen Mittwoch die Kandidat*innen Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), Gerd Schreiner (CDU), Phillip Fernis (FDP), Katharina Binz (Grüne) und David Schwarzendahl (LINKE) zu einer Online-Diskussionsrunde ein.
Unter der Moderation von Dr. Dorothea Fuhr und Werner Ruprecht stellten sich die Diskussionsteilnehmer*innen Fragen, die zuvor von AGARP-Mitgliedern eingereicht wurden. In vier übergeordneten Themenblöcken (Bildung, Gesundheit, Wirtschaft und Innenpolitik und Innovation und Zukunft) wurde hauptsächlich über migrationspolitische Themen und die Belange der zugewanderten Mitbürger*innen in Rheinland-Pfalz sowie die Situation geflüchteter Menschen gesprochen. Die Kandidat*innen nahmen die Möglichkeit wahr, über Ihre Ideen im Bereich Bildung, Digitalisierung und Pflege und über Vorhaben wie ein Antidiskriminierungsgesetz für Rheinland-Pfalz zu sprechen. Dabei wurde immer wieder die Wichtigkeit der migrantischen Bevölkerung und die Notwendigkeit von Zuwanderung für Rheinland-Pfalz betont.
„Das war eine spannende Diskussionsrunde und im Superwahljahr 2021 wäre ein ähnliches Format vor den Bundestagswahlen denkbar. Die große Resonanz von gut 80 Zuschauer*innen hat mir das heute noch einmal bestätigt“, äußert sich AGARP-Vorsitzender Kemal Gülcehre zufrieden.
Die AGARP bedankt sich bei allen Teilnehmer*innen für den regen und fairen Austausch. Besonders bedanken möchten wir uns bei Frau Ministerpräsidentin Dreyer, für ihr Grußwort zur Veranstaltung und die darin zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung und Würdigung für die Arbeit der AGARP.Die Aufzeichnung der knapp zweistündigen Veranstaltung mit allen Antworten der Kandidat*innen steht auf der Homepage der AGARP zur Verfügung (Link zum Video).Vor und während der Veranstaltung hatten die Zuschauer*innen zudem die Möglichkeit, den Kandidat*innen weitere Fragen zu stellen. Die nichtbeantworteten Themen werden den Parteien im Nachgang an die Veranstaltung als Fragenkatalog zur schriftlichen Beantwortung zur Verfügung gestellt und später ebenso auf der AGARP-Homepage veröffentlicht.